Übergänge in niedrigere Gangarten

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Einleitung

Übergänge in niedrigere Gangarten sind of schwieriger für Pferde und Reiter als Übergänge in höhere Gangarten, weil Pferde eher gegen die halben Paraden leisten als gegen die treibenden Hilfen bei Übergängen in höhere Gangarten.

In gelungenen Paraden fließt das gemeinsame Gewicht von Pferd und Reiterin an der Wirbelsäule des Pferdes entlang und durch ein bestimmtes Bein in den Boden, sodass das Pferd ausbalanciert, rund und leicht bleiben kann. Reitet man die Parade in ein Hinterbein - was gewöhnlich der Fall ist -, sollte dieses Hinterbein seine Gelenke zusammenfalten, um die halben Paraden durchzulassen. Gibt es irgendwo zwischen dem Gebiss und den Hinterhandgelenken eine Muskelblockade, wird das Pferd Widerstand gegen die Hilfen leisten.

Voraussetzungen für gute Paraden

  • Das angezielte Hinterbein muss unter dem Gesäßknochen der Reiterin auffußen (d.h. vor der Senkrechten).

  • Der Rücken soll aufgewölbt sein, damit eine Energieverbindung zwischen den Hinterbeinen und dem Gebiss bestehen kann.

  • Der Weg zwischen dem Gebiss und dem angezielten Hinterbein muss frei sein von Muskelblockaden und falschen Knicks.

Gewichtshilfen

Paraden in eine niedrigere Gangart werden ausgeführt, indem man ein bestimmtes Pferdebein senkrechter in den Boden drückt und es dort festhält, sodass es die Energie in den Boden abfließt und das Pferd in eine niedrigere Gangart übergeht.

Die geeignetste und effektivste Hilfe dazu ist die Gewichtshilfe. Da die Aufgabe der Gewichtshilfe darin besteht, das Bein am Boden festzuhalten oder es in den Boden zu drücken, ist es logisch, dass der beste Moment für die Hilfe derjenige ist, in dem das angesprochene Bein aufgefußt hat und die Last stützt. Beim Hinterbein ist es speziell das ganz kurze Fenster, in dem sich das angezielte Hinterbein am Boden und vor der Senkrechten befindet. Das ist der Moment, in dem es die Last stützt und seine Gelenke sich unter der Körpermasse beugen.

Ein Hinterbein kann gebeugt werden, indem man das Reiterbecken sinken läßt, sodass der Beckenboden die Abwärtsbewegung des Pferdekörpers momentan verstärkt, oder indem man den Gesäßknochen der Seite des angezielten Hinterbeins einen kurzen Augenblick herunterdrückt, oder auch durch einen leichten Druck in den Steigbügel auf derselben Seite, oder durch eine Zügelhilfe, oder eine Kombination dieser Hilfen.

Die genaue Zusammensetzung, Intensität und Dauer der Hilfen hängen vom individuellen Pferd ab. Pferde mit einem schwachen, empfindlichen Rücken verkraften einen schweren Sitz nicht, sondern werden halbe Paraden benötigen, die mit einem leichteren Sitz, aber mehr Bügeltritt und Zügelmitwirkung gegeben werden.

Pferde mit starkem, breitem Rücken können viel intensivere Gewichtshilfen durch den Beckenboden oder den Gesäßknochen aushalten.

Lange, schmale Rücken sind tendenziell strukturschwach. Das kann sich noch verstärken, wenn der Hals hoch aufgesetzt und relativ lang ist, da die natürliche Aufrichtung eine gewisse Hebelwirkung auf den Rücken und das aufgefußte Hinterbein ausübt und diese in den Boden drückt.

Ein weiterer Faktor, der die Lage verschlimmern kann, sind Hinterbeine, die bereits durch das Exterieur hinten heraus gestellt sind. Diese können nicht gut untertreten und sich nicht leicht unter der Last beugen. Sie neigen dazu, gerade zu bleiben und die Kruppe hochzudrücken. Dadurch beschützen sie auch nicht den Rücken vor dem Gewicht, sodass derselbe nach unten durchgedrückt wird.

Nur Hinterbeine, die untertreten und sich unter der Last beugen, können den Rücken effektiv beschützen. Sind die Hinterbeine geschmeidig und kräftig, werden sie die Last aufnehmen und sich in ihren oberen Gelenken beugen, wodurch sich der Versammlungsgrad erhöht und der Rücken intakt bleibt. Sind die Hinterbeine hingegen nicht stark genug, werden sie gestreckt bleiben und der Rücken bricht unter dem Gewichtsdruck ein.

Sitzt die Reiterin schwerer oder härter ein als der Pferderücken verkraftet, wird das Pferd seinen Rücken wegdrücken und sich gegen das Gebiß wehren.

Zügelhilfen

Die Zügelhilfe kann ebenfalls als eine Gewichtshilfe angesehen werden, da sie das Gewicht des Pferdekopfes und -halses nimmt und durch das angezielte Pferdebein in den Boden “drückt”. Auf diese Weise kann sie das Gewicht des Pferdekopfes und -halses dem Reitergewicht hinzufügen, sodass das kombinierte Gewicht durch das Pferdebein in den Boden fließt.

Das Pferd versteht und akzeptiert eine Zügelhilfe nur, wenn sie durch das Körpergewicht der Reiterin verankert und abgedeckt ist, d.h. wenn es eine stabile Verbindung von den Rumpfmuskeln der Reiterin zu ihren Oberarmen und Ellbogen gibt, sodass eine Verbindung von den Hinterbeinen durch die Wirbelsäue des Pferdes und die Mittelpositur der Reiterin zum Gebiss und durch die Zügel und die Mittelpositur der Reiterin wieder zurück zur Hinterhand entsteht.

Die Zügelhilfe fühlt sich dann für die Reiterin so an, als ob das Schließen der Finger um den Zügel durch eine Abwärtsbewegung des Reiterkörpers zum Hinterbein durchgebracht wird. Ich stelle mir die Zügelhilfen in diesem Zusammenhang als senkrechte Einwirkungen vor, die von oben nach unten gehen, nicht als horizontale Einwirkungen von vorne nach hinten.

Die Verbindung zwischen dem Reiterkörper und dem Zügel kommt durch das Anspannen der tiefen Rumpfmuskulatur zustande. Die Oberarme und Ellbogen sollten relativ dicht am Körper sein. Je größer der Abstand zwischen den Ellbogen und dem Oberkörper, desto schwieriger wird es, die Verbindung zwischen dem Körpergewicht und dem Zügel aufrecht zu erhalten.

Es ist wichtig, dass die Reiterhand in der halben Parade ihren Platz nicht verläßt. Bewegt sich die Hand rückwärts, ist es ein Zeichen dafür, dass das Pferd nicht genug an das Gebiß herangetreten ist sondern sich hinter der Anlehnung versteckt hat und seinen Hals verkürzt, sobald die Reiterin eine Zügelhilfen geben möchte. In diesem Falle ist es notwendig, wieder nachzugeben, das Pferd vorwärts zu schicken und anschließend die halbe Parade noch einmal zu versuchen. Selbst ein Eindrehen des Handgelenks ist ein Anzeichen dafür, dass das Pferd nicht genug an die Hand herangeht.

Häufige Fehler

  • Zu schweres Einsitzen in der Absicht, die halben Paraden “mit dem Kreuz” zu reiten. In Wahrheit unterdrückt dies oft den Pferderücken, sodass das Pferd über den Zügel geht und sich gegen die Sitz- und Zügelhilfen wehrt. Die Hinterbeine werden daran gehindert, unter den Schwerpunkt zu treten.

  • Mangelnde Rumpfmuskelspannung, sodass die Zügel keine Verbindung zum Körpergewicht haben. Die Pferde verstehen die Hilfe dann nicht und blockieren sie, anstatt sie durch zu lassen.

  • Schlechtes Timing der Hilfen, sodass das Pferd den Reiterwunsch nicht ausführen kann. Beispielsweise kann nur das Hinterbein, das sich am Boden und vor der Senkrechten befindet, sich unter der Last beugen und die Parade durchlassen. Das Hinterbein, das sich auf dem Boden und hinter der Senkrechten befindet, schiebt den Körper dagegen vorwärts. Seine Gelenke sind in der Streckung begriffen. Daher wird es der Parade widerstreben.

  • Wenn die halbe Parade nicht durchgeht, geben viele Reiter mehrere Tritte lang nicht nach, wodurch die Hilfe viel zu lange dauert. Das Pferd geht daher immer mehr gegen die Reiterhilfen. Das Nachgeben ist extrem wichtig, da es die eigentliche Hilfe als solche identifiziert, sehr ähnlich wie die Leerstellen vor und nach geschriebenen Wörtern dem Leser helfen zu erkennen, wo ein Wort endet und das nächste beginnt. Es kann sogar gelegentlich helfen, wenn man eine Hilfe mit einem Nachgeben einleitet und beendet (Nachgeben - Hilfe - Nachgeben).

  • Manche Reiter parieren immer mit beiden Zügeln gleichzeitig, worauf das Pferd meistens mit einem Verspannen der Unterhalsmuskulatur reagiert.

  • Zügelhilfen sind am leichtesten für das Pferd verständlich, wenn sie aus einer kontinuierlichen Verbindung erwachsen. Hängt der Zügel durch oder hat er einen Wackelkontakt, wir das Pferd überrascht sein, wenn plötzlich aus dem Nichts eine Hilfe kommt. Das führt meistens ebenfalls zu mehr oder weniger scharfen, defensiven Reaktionen.

Zusammenfassung

Wie man aus den obigen Erklärungen ersehen kann, sind ein ausbalancierter, unabhängiger, geschmeidiger Sitz, sowie gutes Timing und gute Koordination der Hilfen Hauptvoraussetzungen für gute Paraden. Es ist eine Lebensaufgabe, diese Fähigkeiten zu erwerben und zu verfeinern. Es ist eine stille, unspektakuläre Arbeit. Aber sie ist eine der wichtigsten Investitionen, die man in seine Reiterei machen kann. Echter Fortschritt kommt immer immer von Verbesserungen in den Grundlagen von Pferd und Reiterin.