Was hat Alice Cooper mit Dressur zu tun?

Als ich diesen Artikel schrieb, sind wir gerade mit dem Auto durch Deutschland und Österreich gereist, für eine Mischung aus Arbeit und Urlaub. Wir haben einiges mit den Kindern unternommen, etwas unterrichtet und diverse Geschäftstermine wahrgenommen. Auf den längeren Autofahrten hörten wir gerne diverse Podcasts an. Am Tag bevor ich den Artikel schrieb, hörten wir uns eine Episode von Marc Maron’s WTF Podcast an, in der er Alice Cooper, den Rockstar interviewt.

Alice Cooper ist ein interessanter Mensch, der seine Karriere als Rockmusiker in den 1960er Jahren begann und es geschafft hat, bis heute erfolgreich zu sein. Er war befreundet mit Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison, den Beatles, den Rolling Stones, Led Zeppelin und vielen anderen berühmten Rockstars, aber darüberhinaus auch mit Sängern und Schauspielern wie Frank Sinatra oder Groucho Marx.

Das Interview mit Marc Maron berührte viele interessante Themen, unter anderem auch Alice Cooper’s Erfahrungen mit all diesen berühmten Musikern und Schauspielern. Er sagte, je besser, bekannter und berühmter sie waren, desto netter waren sie auch, weil sie nichts mehr zu beweisen hatten. Sie hatten alles erreicht. Die aufsteigenden Rockstars dagegen waren oft schwierig und nicht so nett im Umgang. Dieselbe Aussage habe ich im Laufe der Jahre von vielen verschiedenen Quellen immer wieder gehört.

Es scheint, dass Menschen, die ihr Metier sehr gut beherrschen und viel erreicht haben, eine gewisse Sicherheit und ein gewisses Selbstbewusstsein entwickeln, welches ihnen erlaubt sich zu entspannen und auch die Verdienste anderer Kollegen zu würdigen.

Diejenigen, die sich noch mehr am Anfang ihrer Karriere befinden und noch das Gefühl haben, dass sie sich selbst und der Welt etwas zu beweisen haben, sind dagegen oft unsicher. Sie vergleichen sich ständig mit anderen und fühlen sich vom Erfolg und der Kompetenz der Kollegen bedroht, als ob deren Erfolg sie kleiner machen oder ihr Können schmälern würde. Diese Unsicherheit macht sie aggressiv und führt dazu, dass sie andere schlecht machen, vor allem wenn jene im Rampenlicht stehen.

Für einen kurzen Moment fühlen sie sich dann besser, weil sie sich sagen können, dass die andere Person auch nicht perfekt ist bzw. auch nicht besser ist als sie selbst. Der Trost, den sie fühlen, ist jedoch leider nur von kurzer Dauer, da er ihr Kompetenzniveau nicht verbessert. Wir reiten kein bisschen besser, wenn wir jemand anders kritisieren. Unsere eigenen Probleme sind noch immer ungelöst, auch wenn wir mit großer Genugtuung feststellen, dass andere dieselben Fehler machen wie wir. Wir sind noch immer derselbe Mensch und derselbe Reiter wie zuvor.

Die Negativität hinterlässt allerdings ihre toxischen Spuren in unserem eigenen Leben. Wenn wir uns nur auf die Fehler und die schlechten Aspekte bei anderen Reitern (und bei uns selbst) konzentrieren, macht uns das nicht glücklicher, sondern unglücklicher, weil es mehr Negativität in unserer Leben und unsere eigene Reiterei bringt.

Diejenigen, die sehr offen Kritik an allen anderen üben, werden selbst zur Zielscheibe werden. Sie werden früher oder später für ihre eigene Reiterei angegriffen werden, was ihre Unsicherheit und ihre Unzufriedenheit nur noch steigert. Sie werden dann andere umso mehr attackieren und die negative Feedback Schleife fortsetzen, die nichts Positives bewirkt, sondern nur alle Beteiligten unglücklich macht.

Ich kenne das aus eigener Erfahrung. Ich war früher genauso, wahrscheinlich unter anderem weil in meiner Anfängerzeit unsere Reitlehrer uns Schülern immer das Gefühl vermittelten, dass wir wertlos und hoffnungslos waren. Dadurch haben wir alle nach Hinweisen Ausschau gehalten, dass andere genauso wertlos und hoffnungslos waren, wie wir selbst nach dem Urteil unserer Lehrer.

Heute bin ich ein “reformierter Kritiker”. Ich verspüre von Zeit zu Zeit noch immer das Bedürfnis zur Kritik in mir, aber ich versuche, nicht danach zu handeln. Ich versuche, andere Reiter differenzierter zu betrachten. Ich versuche, auch die guten Eigenschaften zu sehen und ich versuche, auf der Seite der Reiterin zu stehen, da wir nie wissen können, wie schwierig ein Pferd wirklich ist, solange wir es nicht selbst geritten haben.

Pferde können sehr anders aussehen, als sie sich anfühlen. Wir wissen auch nicht, wie weit Pferd und Reiter schon gemeinsam gekommen sind. Wir wissen nicht, welche Hürden sie überwinden mussten. Jeder ist auf seiner eigenen persönlichen Reise. Was dem einen im Schlaf gelingt, ist für jemand anderen sehr schwer. Ich erinnere mich auch an alle meine eigenen Fehler und Misserfolge.

Was ich jedoch nicht verstehen kann, ist das Bedürfnis mancher Menschen, im Internet negative Kommentare unter den Fotos oder Videos anderer Reiter zu hinterlassen. Sie tragen absolut nichts Hilfreiches bei. Sie setzen nur den Teufelskreis von Negativität und Unsicherheit fort.

Im Allgemeinen handelt jeder nach bestem Wissen und Können. Wenn jemand Hilfe oder Rat braucht, wird er/sie wahrscheinlich eine Lehrerin oder einen Lehrer suchen, dem sie vertrauen. Es steht niemand anderem zu, sie abzukanzeln.

Es ist gesünder, wenn wir uns um unsere eigenen Dinge kümmern, unsere eigene Reiterei zu verbessern suchen und unser Bestes geben. Wenn wir anderen zuschauen, sollten wir die positiven Aspekte herausgreifen, die wir in unsere eigene Reiterei integrieren können. Es ist generell besser, wenn wir sorgfältig auswählen, welche Bilder wir in unserem Gedächtnis abspeichern, sodass unsere eigene Reiterei nicht negativ beeinflusst wird, weil wir schlechte Reiter beobachten.

Wenn wir ein Foto oder Video sehen, das uns nicht gefällt, ist es besser nichts zu sagen. Wenn wir dagegen etwas sehen, das uns gefällt, dann ist es eine nette Geste, ein Lob auszusprechen, denn genauso wie negative Bemerkungen uns nicht zu besseren Reitern oder besseren Menschen machen, tun uns positive, ermutigende Kommentare keinerlei Abbruch.