Stellen Sie die richtigen Fragen

Hallo liebe Leserinnen und Leser,

Diese Woche möchte ich etwas ansprechen, das beim Reiten und Ausbilden sehr wichtig ist, das aber leider kaum einmal im Reitunterricht oder in Büchern und Zeitschriftenartikeln erklärt wird. Es geht dabei um Ausbildungsstrategien. Wie entscheidet man, was man mit seinem Pferd als nächstes tut? Woher weiss man, wie man eine Lektion, einen Übergang, eine Wendung, die Anlehnung, die Geschmeidigkeit des Pferdes oder irgendein anderes auftretendes Problem verbessern kann? Viele gute, erfahrene Ausbilder treffen diese Entscheidungen rein intuitiv aus dem Bauchgefühl und der Erfahrung mit vielen verschiedenen Pferden heraus. Und sie haben sehr oft recht mit ihren Entscheidungen. Allerdings läßt sich diese Art von Können leider nur sehr schwer kommunizieren und an andere weiter geben.

Als ich noch jung war, hatte ich immer das Gefühl, dass die Lösungen für alle meine Probleme direkt vor meiner Nase waren, im Pferd nämlich. Das Pferd hat alle Antworten. Ich wusste nur nicht, wie ich an diese Informationen herankommen konnte. Und das hat mich fast zur Verzweiflung gebracht, weil die Lösung so nah und doch so fern war. Das Problem bestand darin, dass ich nicht wusste, welche Fragen ich stellen musste, da das damals nicht Teil des traditionellen Reitunterrichts war.

Durch meine wissenschaftliche Ausbildung als Ägyptologe lernte ich, dass man bei der Untersuchung von Textmaterial, archäologischem Material oder jeder anderen Art von Daten bestimmte Fragen an dieses Datenmaterial stellen, nach wiederkehrenden Mustern suchen und bestimmte Aspekte genauer unter die Lupe nehmen muss, um die darin enthaltenen Informationen zu erschliessen. Allerdings sind nicht alle Fragestellungen gleichwertig. Stellt man gute Fragen, bekommt man gute Antworten und macht dann interessante Beobachtungen, die einem helfen, Fortschritte zu machen. Stellt man dagegen die falschen Fragen, wird man irrelevante Ergebnisse bekommen, d.h. man kommt nicht vorwärts.

Man findet dieselbe Erkenntnis auch bei einer Vielzahl von Vordenkern. Dort hört man oft Aussagen wie die folgende: “Die Qualität Ihrer Fragen bestimmt die Qualität Ihrer Resultate.”  

So sagte z.B. Albert Einstein:


“Die Qualität Ihrer Fragen ist proportional zur Qualität Ihrer Fragen.”


Anthony Robbins sagt:
 

“Die Antworten, die wir bekommen, hängen von den Fragen ab, die wir zu stellen bereit sind.”


und
 

“Qualitativ hochwertige Fragen schaffen eine hohe Lebensqualität. Erfolgreiche Menschen stellen bessere Fragen. Deswegen bekommen sie bessere Antworten.”




Stellen Sie Fragen als Teil Ihrer Trainingsstrategie

Das hat sich in meiner reiterlichen Erfahrung auch absolut bestätigt. Daher möchte ich Sie dazu ermutigen, Fragen in Ihre Reitstrategie einzubeziehen und ich möchte Ihre Neugier an den Fragen wecken, die Sie stellen.

Ich habe im Laufe der Jahre einen Katalog von Fragen erstellt, die mir helfen, die Ursache eines Problems zu erkennen und zu entscheiden, welche Schritte ich als nächstes unternehmen könnte, egal ob ich selbst im Sattel sitze oder ein Schüler in einer Unterrichtssituation.
 

  • Wo ist Ihre beabsichtigte Hufschlaglinie?
  • Befinden sich die Hufes Ihres Pferdes auf dieser Linie?
  • Weicht ein Huf von dieser Linie ab? Wenn ja, welcher?
  • Welches Pferdebein stützt in einem bestimmten Moment die Hauptlast?
  • Welches Pferdebein sollte die Hauptlast stützen?

 

  • Hat das Pferd die Übung ausgeführt?
  • Wenn ja, wie hat es die Übung gemacht? Welche Besonderheiten sind aufgefallen?
  • Welcher Teil der Übung fällt dem Pferd besonders schwer?
  • Ist das Pferd nach der Übung besser, schlechter oder gleich wie vorher?
  • Ist die Übung schwieriger auf der rechten oder der linken Hand?
  • Auf welcher Hand ist die Übung effektiver?

 

  • Was hindert das Pferd an der Ausführung dessen, was ich gerade reiten möchte?
  • An welcher Fähigkeit mangelt es ihm (Körperwahrnehmung, Gleichgewicht, Koordination)?
  • Welche Körperteile sind steif (Genick, Hals, Schulter, Brustkorb, Becken)?
  • Was kann ich an meinem Sitz und meinen Hilfen ändern, um ihm besser zu helfen?
  • Wo ruht mein Gewicht (Gesäßknochen, Oberschenkel, Knie, Steigbügel, innen, außen)?
  • Wie kann ich die Übung modifizieren, um sie leichter zu machen (etwas weglassen, ein schwierigeres Element durch ein leichteres ersetzen)?



Lassen Sie mich wissen, ob diese Art von Information für Sie nützlich ist oder nicht. Ich würde auch sehr gerne hören, ob Sie eigene Kontrollfragen beim Reiten benützen, oder ob Sie besondere Problemlösungsstrategien haben.

Viel Spaß beim Reiten. Ich melde mich nächste Woche wieder.