Sei wie Wasser. Nimm Kurskorrekturen vor.

Shana’s Business Coach James Wedmore empfahl seinen Schülern kürzlich “wie Wasser” zu sein und “Kurskorrekturen” vorzunehmen, d.h. die Vorgehensweise zu ändern, wenn die gegenwärtige Strategie nicht aufgeht. Der erste Teil seines Ratschlags ist eine Anspielung auf ein berühmtes Bruce Lee Zitat, welches seinerseits vom Tao te Qing inspiriert ist: “Lege Dich nicht auf eine bestimmte Form fest, sondern passe sie an und lass sie wachsen. Sei wie Wasser. Leere Deinen Kopf. Sei formlos, gestaltlos — wie Wasser. Wenn Du Wasser in eine Tasse giesst, wird es zur Tasse. Wenn Du es in eine Flasche füllst, wird es zur Flasche. Giesst Du es in einen Teekessel, wird es zum Teekessel. Wasser kann fliessen oder zerschmettern. Sei Wasser, mein Freund.”

Das trifft natürlich auch auf das Reiten zu. Der traditionelle Reitunterricht war oft sehr starr und unflexibel. Harmonieverlust oder Meinungsverschiedenheiten mit dem Pferd wurden gewöhnlich als Disciplin- und Respektprobleme interpretiert. Deswegen wurde man angewiesen sich um jeden Preis “durchzusetzen” und darauf zu bestehen, dass das Pferd die Befehle des Reiters ausführt - was sehr schnell zu Kämpfen mit dem Pferd führen kann. Die Möglichkeit, dass das Pferd nicht gehorchen konnte aufgrund eines Missverständnisses, oder aufgrund eines Mangels an Gleichgewicht, Körpergefühl, Geschmeidigkeit, Kraft oder aufgrund von Schmerzen wurde nur selten in Betracht gezogen.

Es wurde auch allgemein davon ausgegangen, dass es nur EINE richtige Vorgehensweise gibt und nur EINE richtige Trainingsmethode. Das führt schnell zu einem schablonenartigen Vorgehen, bei dem die Reiterin mit jedem Pferd in jeder Trainingseinheit dieselben Lektionen an derselben Stelle der Bahn und in derselben Reihenfolge abspult. Die großen Unterschiede zwischen den einzelnen Pferden werden dabei nicht berücksichtigt und die Verantwortung der Reiterin, flexibel auf die individuellen Stärken und Schwächen und Bedürfnisse der Pferde einzugehen wird ignoriert.

Wenn nur eine einzige Vorgehensweise erlaubt ist und man nur ein einziges Werkzeug benützen darf, dann ist die Versuchung groß, zu Kraft und Zwang anzuwenden, wenn dieses EINE Werkzeug und diese EINE Vorgehensweise nicht funktioniert. Dann ist es leicht für die Reiterin, dem Pferd die Schuld zu geben, wenn es “ungehorsam” und “respektlos” ist. Die Lehrer gaben ihrerseits gerne den Schülern die Schuld, weil sie es “nicht richtig” machten. Sie behaupteten, wenn die Schüler nicht so unfähig im Sattel wären, dann würde die EINE Methode perfekt funktionieren.

Um aus dieser ungesunden und kontraproduktiven Dynamik auszubrechen und mehr wie Wasser zu werden, müssen wir unsere Denkweise in mehreren grundlegenden Aspekten ändern.

Mir fallen dazu spontan vier grundlegende Prinzipien ein:

  1. Man braucht nicht an einer einzigen Methode festzuhalten oder das, was man angefangen hat, auf Gedeih und Verderb bis zum bitteren Ende durchziehen, weil Probleme meistens nicht von mangelndem Respekt herrühren.
  2. Treten Sie einen Schritt zurück und betrachten Sie das große Bild.
  3. Es gibt mehr als einen richtigen Weg.
  4. Es gibt viele gymnastische Werkzeuge.


Wenn Probleme auftauchen und etwas nicht so läuft, wie Sie es sich vorgestellt hatten, kontrollierenSie Ihren Sitz und Ihre Hilfengebung. Kommunizieren Sie klar und unmissverständlich? Teilen Sie dem Pferd nicht nur mit, was es tun soll, sondern erlauben Sie ihm auch Ihren Wunsch auszuführen? Oder behindern Sie das Pferd ungewollt bei der Umsetzung? Besitzt das Pferd das Gleichgewicht, das es braucht, um die entsprechende Anforderung auszuführen? Besitzt es das notwendige Körpergefühl, die notwendige Koordination, Geschmeidigkeit und Kraft? Sollte es die notwendigen Voraussetzungen noch nicht mitbringen, bringen Sie sie ihm bei mit Hilfe von erklärenden und vorbereitenden Übungen. Eventuell müssten Sie auch kontrollieren, ob das Pferd Schmerzen hat.

Die Dressurreiterei ist eine sehr detailorientierte Aktivität und es ist leicht, vor lauter technischen Details den Überblick zu verlieren. James Wedmore vergleicht dies mit dem Schrubben eines Schiffsdecks anstatt das Schiff zu steuern. Daher ist es wichtig, dass man sich regelmäßig etwas Distanz verschafft und das Gesamtbild betrachtet. Schauen Sie das Gebäude des Pferdes an, seine Persönlichkeit und seine Entwicklung über mehrere Tage, Wochen und Monate hinweg, damit Sie die längerfristigen Entwicklungen und Trends wahrnehmen. Es genügt also nicht, all die kleinen Details nur im Auge zu behalten, sondern man muss sie im richtigen Kontext sehen und als Teile eines großen Gesamtbildes interpretieren, um ihre wahre Bedeutung zu verstehen, da manche Details wichtiger sind als andere.

Versuchen Sie, die Vorgehensweise zu finden, die für Ihr Pferd am besten passt. Scheuen Sie sich nicht, Ihre Strategie zu ändern, wenn die gegenwärtige nicht funktioniert. Das ist der zweite Teil von James Wedmore’s Empfehlung: Nehmen Sie Kurskorrekturen vor. An der alten Spanischen Reitschule sagte man, dass man für jedes Pferd ein eigenes Lehrbuch schreiben muss anstatt alle Pferde nach demselben Lehrbuch auszubilden. Scheuen Sie sich nicht, etwas (für Sie) Neues oder Unorthodoxes auszuprobieren. Erwarten Sie kein anderes Ergebnis, wenn Sie immer dieselben Hilfen oder Übungen wiederholen. Werten Sie Ihre Strategie nach drei Wiederholungen aus, um herauszufinden, ob sie in die richtige Richtung führt oder nicht. Sollte sich nach drei Wiederholungen noch kein klares Bild ergeben, reiten Sie drei weitere Wiederholungen. Oder sammeln Sie mehr Daten, indem Sie kontrastierende Übungen reiten, die dasselbe Thema von einer anderen Seite beleuchten.

Seien Sie kreativ. Probieren Sie verschiedene Techniken und Übungen. Beziehen Sie Longieren, Doppellonge, Handarbeit oder Langzügelarbeit in die Ausbildung mit ein. Nicht jedes Problem kann durch Reiten allein gelöst werden. Oder selbst wenn es im Sattel gelöst werden kann, könnte eine der anderen Techniken schneller, reibungsloser oder pferdefreundlicher sein. Beziehen Sie Ausritte, Cavaletti Arbeit oder Gymnastikspringen mit ein, falls es hilft.

Nicht jedes Problem kann von einer Einzelperson gelöst werden. Jedes Pferd macht Phasen durch, in denen man am besten voranschreitet, wenn zwei oder drei Reiter zusammen arbeiten. Jeder Reiter braucht von Zeit zu Zeit die Unterstützung von anderen.

Je mehr verschiedene Techniken, Strategien und Übungen man kennt, desto weniger leicht reitet man sich fest. Je mehr man die Einstellung zugrunde legt, dass man dem Pferd helfen möchte, desto geringer ist die Versuchung, aus Eitelkeit heraus zu handeln. Die Eitelkeit, das Ego führt zu Konfrontationen, da es Probleme gerne als Gehorsams- und Respektsprobleme interpretiert.