Parameter des Ganges

Einleitung

Es gibt zwei Gruppen von Parametern, die die Bewegung des Pferdes beschreiben und mit deren Hilfe der Reiter den Gang und die Haltung bestimmen bzw. beeinflussen kann. Verändert man einen oder mehrere dieser Parameter, verändert sich auch das Erscheinungsbild des Pferdes. Die erste Gruppe bezieht sich auf die Positionierung der Hüften und Schultern und auf die Haltung der Wirbelsäule. Die zweite Gruppe beschreibt die Details des Ganges, d.h. der Bewegung der Pferdebeine.


Haltungsparameter (Becken, Schulter, Wirbelsäule)

- Hufschlagfigur (Zirkel, Volte, Rechteck, Quadrat, Dreieck, Oval, usw.)
- Winkel der Wirbelsäule des Pferdes zur gerittenen Linie (einfacher Hufschlag vs. Seitengänge): Becken weicht allein, Schulter weicht allein, beide weichen gemeinsam
- Seitenbiegung (links/rechts)
- Bascule
- Gleichgewicht/Versammlungsgrad (Hankenbiegung, Gewichtsverteilung auf den vier Beinen)

Bewegungsparameter (Gliedmaßen)
- Gangart (Schritt, Trab, Galopp)
- Tempo (Tritte pro Minute)
- Gangmaß/Trittlänge (versammelte Gangart, Arbeitsgangart, mittleres Gangart, starkes Gangart, Piaffe, Passage, gemessen in Metern und Zentimetern)
- Energienieveau (schwer objektiv messbar)
- Geschwindigkeit (km/h)
- Innere/äußere Beine kreuzen

Diese Parameter bilden die Grundlage der Reiterei, da ihre Einhaltung die gesamte Skala der Ausbildung beinhaltet. Sie sind sowohl die Voraussetzung als auch die Folge der Elemente der Ausbildungsskala. Kann der Reiter sie kontrollieren, führen sie zu Gleichgewicht, Geraderichtung, gleichmäßiger, steter, leichter Anlehnung, Durchlässigkeit, Schwung, Versammlung und Gehorsam. Kann der Reiter diese Parameter noch nicht oder nur unvollständig bestimmen, liegt das daran, dass bestimmte Teile der Ausbildungsskala noch nicht gut genug erarbeitet und gefestigt sind.

Die Parameter werden vom Reiter definiert, dem Pferd durch Sitz und Hilfengebung angewiesen und konsequent überwacht. Verändert das Pferd einen oder mehrere dieser Parameter unaufgefordert, ist die Durchlässigkeit beeinträchtigt und mit ihr sind Gleichgewicht, Geraderichtung, Anlehnung, Schwung und Versammlung in Frage gestellt. Daher greift der Reiter in einem solchen Fall korrigierend ein und stellt den Status quo ante wieder her.

Den meisten Pferden bereitet die gezielte Veränderung von nur einem einzigen Parameter Schwierigkeiten, wie z.B. der Wechsel der Biegung zwischen Schulterherein und Renvers, oder die Veränderung der Trittlänge bei den Trabverstärkungen. Die meisten Pferde verändern, dem Weg des geringsten Widerstandes folgend, gleichzeitig unaufgefordert zusätzlich andere Parameter mit, weil damit die Arbeit leichter wird. Leider reduzieren sie damit aber auch die gymnastische Effektivität der gerittenen Übung erheblich. Viele Reiter bemerken dies nicht, da im gewöhnlichen Reitunterricht auf diese Details nicht genug hingewiesen wird. Der Erfolg einer Übung und der gesamten Ausbildung überhaupt hängt jedoch nicht davon ab, WAS man reitet, sondern WIE man es reitet. Auch die beste gymnastische Übung ist wertlos, wenn sie falsch oder schlecht und unachtsam geritten wird.

Man bringt im Laufe der Ausbildung also dem Pferd durch immer neue Übungen und Kombinationen von Hufschlagfiguren bei, ganz gezielt nur diejenigen Parameter zu verändern, die der Reiter durch seine Hilfengebung ausgewählt hat. Dadurch wird das Pferd psychisch und physisch flexibel, es lernt seinen Körper besser kennen und beherrschen, sein Balanciervermögen nimmt zu und seine Durchlässigkeit, d.h. seine Rittigkeit und sein Gehorsam werden stetig verbessert. Durch die ständig zunehmende Geschmeidigkeit bleibt das Pferd auch durch diese Art der Arbeit gesund, da die Bewegungen immer weicher werden und somit Muskeln, Sehnen und Gelenke geschont werden.

Die Reiterin wird dadurch taktvoller, spezifischer und überlegter in ihrem Reiten und Planen.


Typische Beispiele:

  • Fordert der Reiter mehr Aktivität der Hinterhand, werden viele Pferde zunächst schneller.
  • Will der Reiter das Tempo verlangsamen, lassen viele Pferde automatisch in der Aktivität der Hinterhand nach. Sie müssen also durch die Dressur lernen, dass man sich bei gleichem Tempo mehr anstrengen kann, sodass die Hinterbeine aktiver treten, ohne Tempo oder Trittlänge zu verändern. Komplementär dazu ist es erforderlich, dass man bei gleicher Aktivität der Hanken die Trittlänge reduzieren kann.
  • Gibt der Reiter dem Pferd die Anweisung, die Biegung von Schulterherein zu Renvers zu wechseln, werden viele Pferde gleichzeitig den Winkel der Abstellung mit verändern: Im Schulterherein wählen sie einen flacheren Winkel, im Renvers einen steileren, da sie dem biegenden Zügel mit der Schulter in entgegengesetzter Richtung ausweichen. Manche werden auch im Renvers langsamer und im Schulterherein schneller.
  • Beim Zulegen aus dem versammelten Trab zum Arbeits-, Mittel- oder starken Trab verändern sehr viele Pferde auch die Trittfrequenz, d.h. sie werden im Tempo schneller.
  • Beim Übergang vom einfachen Hufschlag zu einem Seitengang werden viele Pferde langsamer, d.h. sie verändern nicht nur den Winkel der Abstellung, sondern auch noch die Trittfrequenz.
  • Beim Übergang von einer geraden zu einer gebogenen Linie und umgekehrt variieren viele Pferde ebenfalls das Tempo. So kann man oft beobachten, dass Pferde in der Ecke langsamer werden und aus der Ecke heraus wieder beschleunigen.
  • Beim Handwechsel werden ebenfalls viele Pferde schneller, weil sie auf die neue innere Schulter fallen.
  • Reitet man aus dem Schulterherein geradeaus auf einer Diagonalen vorwärts, wird der Winkel der Abstellung oft steiler. Dasselbe gilt, wenn man von der Diagonalen einen Übergang ins Schulterherein auf einer parallelen Linie zur langen Seite reitet. Auch hierbei werden viele Pferde steiler in der Abstellung. Zusätzlich werden manche Pferde im Schulterherein langsamer und auf der Diagonalen schneller.
  • In der Traversale weichen viele Pferde seitlich von der Linie ab und werden vielleicht zusätzlich auch noch langsamer.


Hierher gehört auch die Fähigkeit, Schultern und Hüften unabhängig von einander zu bewegen. Es muss also für den Reiter möglich sein, die Pferdeschultern auf der gerittenen Linie geradeaus zu führen und nur das Becken seitlich weichen zu lassen (Kruppeherein, Konterschulterherein), bzw. mit der Hinterhand einen Kreisbogen um die Vorhand zu beschreiben (Vorhandwendung in der Bewegung, Pirouette Renversée).

Umgekehrt soll das Pferd in der Lage sein, mit den Hinterbeinen auf der gerittenen Linie zu bleiben und nur die Schulter seitlich weichen zu lassen (Schulterherein), bzw. mit der Schulter einen Kreisbogen um die Hinterhand zu beschreiben (Hinterhandwendung, Pirouette, Passade).

Als dritte Option müssen sich auch die Vorhand und Hinterhand gleichzeitig verschieben lassen (Traversale, Viereck verkleinern und vergrößern). In der Realität fällt dies vielen Pferden schwer. Will man das eine Ende des Pferdes seitlich verschieben, geht das andere Ende entweder gleich mit zur Seite, oder es weicht zur entgegengesetzten Seite hin aus. Dadurch wird dann immer die Hinterhand entlastet, das Pferd wird schief und fällt auf die Vorhand, und der Seitengang wird gymnastisch wertlos.

Es gibt auch Übungen, bei denen zwei Parameter gleichzeitig verändert werden. Hält man beispielsweise am Eckeneingang an und reitet dann einen Übergang zum Trab, so muss das Pferd von der geraden Linie auf die gebogene Linie abwenden und gleichzeitig aus dem Halten im Trab antreten.

Wechselt man aus dem Zirkel und reitet auf der neuen Hand ein Konterschulterherein, behält man die alte Biegung bei, wechselt aber die Richtung und lässt die Kruppe weichen.

Beim Übergang vom Schulterherein in die Traversale verändert sich die Linie und die äusseren Beine müssen nun übertreten. Auch das Gewicht wird unter Umständen vom äußeren auf das innere Hinterbein übertragen.

Denken Sie sich als “Hausaufgabe” Übungen aus, bei denen ein oder zwei Parameter gezielt verändert werden, ohne dass die anderen davon berührt werden und beobachten Sie, was passiert.