Umschalten, wenn es nicht gut läuft

Ich bekam diese Frage in einer Frage und Antwortstunde in einem unserer Kurse: Was soll man tun, wenn man an einem Problem oder an einer Übung arbeitet und es nicht besser wird? Wie schaltet  man um und was macht man stattdessen?


Das passiert allen ambitionierten Reitern früher oder später. Wir konzentrieren uns so stark auf das, woran wir arbeiten, dass wir die Perspektive verlieren oder vergessen, auch an anderen Themen zu arbeiten, weil wir unbedingt dieses eine Problem lösen wollen (am liebsten noch heute).


Einerseits ist ein gewisses Durchhaltevermögen durchaus wichtig. Gäbe man beim ersten Anzeichen von Widerständen oder Problemen sofort auf, würde man nicht zum Erfolg gelangen. Andererseits gibt es einen Punkt, ab dem unser stures Durchhalten sich negativ auswirkt und das Problem verschlimmert. In diesen Situationen sollten wir umschalten und unsere Strategie ändern.

055 Gäbe man beim ersten Anzeichen von Widerständen oder Problemen sofort auf....png

 

Zunächst ist es besonders wichtig, dass man bemerkt, wenn dies passiert und sich dann fragt: “Welche Gedanken gehen gerade durch meinen Kopf? Was fühle ich in meinem Körper? Wie ist die emotionelle und energetische Verbindung zu meinem Pferd gerade?”


Ich empfehle vielen meiner Schülerinnen, ein Reittagebuch zu führen, in dem sie aufschreiben, was in ihren Ritten passiert ist, die Beobachtungen, die sie gemacht haben, die Erfolge, die sie erzielt haben und die Dinge, die ihnen besonders schwer fallen. Wenn man regelmäßig Tagebuch führt, wird man im Laufe der Zeit eine Quelle der Re-Inspiration schaffen (die sich manchmal im Nachhinein auch sehr unterhaltsam liest) und man bekommt die Möglichkeit, gewisse Muster zu entdecken, sowohl beim Pferd, als auch bei sich selbst.


Man sollte versuchen zu identifizieren, wie sich diese überfokussierte, kontraproduktive Einstellung genau anfühlt und welche Gedanken einem durch den Kopf gehen. Dann kann man sie gegebenenfalls in der Zukunft wieder erkennen und das Muster durchbrechen. Das gelingt nur, wenn man diese Muster immer früher erkennt.


Was können wir tun, wenn uns nun bewusst wird, dass wir wieder einmal in solch ein altes Muster verfallen sind?


Das wichtigste ist, dass wir aufhören mit dem, was wir gerade tun, da es offensichtlich nicht funktioniert und die Situation eher verschlimmert als verbessert. Es kann manchmal schwer fallen, innezuhalten, weil man emotionell in die Arbeit investiert ist. Aber genau das ist das Beste, was man tun kann: die Arbeit abbrechen.

 

Hier sind ein paar Dinge, die Sie stattdessen tun könnten:

  • Man kann versuchen, das Problem von einer völlig anderen Richtung anzugehen. Vielleicht ist es besser, die Lösung nicht so sehr in konkreten Übungen zu suchen, sondern eher in einer anderen psychologischen Herangehensweise. Oft gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, wie man das gewünschte Ergebnis erreichen kann. Daher ist es so nützlich, möglichst viele verschiedene Werkzeuge im Werkzeugkoffer zu haben (und ich spreche hier nicht von Ausrüstungsgegenständen, sondern von Übungen, Strategien und Techniken).

 

  • Man kann sich fragen: “Wenn ich die Lösung zu diesem Problem kennen würde, wie sähe sie aus?” Das klingt merkwürdig, aber manchmal kann man die Antwort finden, indem man sich selbst diese Frage stellt. Man kann auch eine imaginäre Unterhaltung mit einer Reiterin führen, die man respektiert (die Lehrerin, eine Freundin, der es scheinbar immer gelingt, schwierige Probleme zu lösen, ein reiterliches Vorbild, ein alter Meister). Was würde diese Person zu dem Problem sagen? Welchen Rat würde sie geben?

 

  • Man kann die Übung in ihre Einzelkomponenten zerlegen und diese dem Pferd separat erklären, indem man jedes einzelne Element separat reitet.

 

  • Man kann absitzen und dem Pferd die Übung an der Hand erklären.

 

  • Man kann das Thema ändern und eine ganz andere Übung reiten, die einen anderen Teil des Körpers anspricht oder andere Fertigkeiten beansprucht. Das bedeutet nicht, dass man bei dem  Problem ganz aufgibt, sondern nur, dass man es eine Weile ruhen lässt.

 

  • Man kann auch eine ganz andere Art der Arbeit machen. Anstatt Dressur zu reiten, könnten Sie beispielsweise ausreiten, springen, oder einer anderen, aber verwandten Disziplin, wie Working Equitation nachgehen, oder sich mit Freiheitsdressur beschäftigen.

 

  • Man kann Inspiration anderswo suchen, um die eigene Aufmerksamkeit umzulenken. Beispielsweise könnten Sie eine andere Übung ausprobieren (schamlose Eigenwerbung: unser Exercise of the Month Club gibt Ihnen jeden Monat 2 bis 3 neue, inspirierende Übungen, mit Strategien, wie Sie sie für sich und Ihr Pferd nutzbringend einsetzen können, unabhängig vom gegenwärtigen Ausbildungsstand). Oder Sie könnten eine Podcast anhören, ein Video anschauen, einen Artikel oder ein Buch lesen, das unter Umständen zwar ein anderes Thema behandelt, als das Problem, an dem Sie arbeiten, aber das eine gute Ergänzung bildet. Inspiration kann auch von außerhalb der Reiterwelt kommen!

 

  • Bitten Sie Ihre Lehrerin oder Ihre vertrauenswürdige Freundin, Ihr Pferd einmal zu reiten. Manchmal können diese eine neue Perspektive bieten und manchmal können sie die fehlenden Mosaiksteinchen beisteuern, die Sie selbst nicht finden konnten.

 

  • Geben Sie Ihrem Pferd Urlaub, d.h. geben Sie sich selbst etwas Urlaub. Gehen Sie ein paar Tage, oder auch eine Woche oder zwei, mit Ihrem Pferd spazieren und lassen Sie es an der Hand grasen. Oder gehen verreisen Sie. Laden Sie Ihre Batterien wieder auf. Sie werden höchstwahrscheinlich mit neuer Energie zurück kommen und Sie und Ihr Pferd werden sich freuen, wieder gemeinsam arbeiten zu können. Sie werden vielleicht finden, dass sich Ihre Sichtweise geändert hat und Ihnen das Problem nicht mehr so schwerwiegend erscheint, wie Sie bisher dachten. Oder Sie stellen fest, dass Sie eine neue, bessere Perspektive gefunden haben. Schon allein die größere emotionelle Distanz kann zu einem besseren Ergebnis führen. Manchmal wird man feststellen, dass das Problem ganz verschwunden ist!

Das wichtigste ist jedoch dabei, dass man einen Plan hat, wie man das alte Muster unterbrechen kann. Sie können dies tun, indem Sie regelmäßig Ihre Gedanken und Gefühle aufschreiben, sodass Sie es leichter erkennen, wenn es wieder auftritt. Machen Sie sich eine Liste wie die obige, mit Optionen, wie Sie Ihre Aufmerksamkeit auf andere Themen lenken können und mit anderen Dingen, die Sie tun könnten, sodass Sie nicht spontan eine neue Idee erzeugen müssen. Sie können dann einfach Ihre Liste durchgehen und etwas aussuchen, das Sie dann verfolgen. Dadurch verbessert sich Ihre Fähigkeit immer mehr, in emotionell stressigen Situationen Ihren Fokus zu verlagern.

Erinnern Sie sich selbst daran… Das Endziel ist wertlos, wenn Sie darüber die Beziehung mit Ihrem Pferd oder Ihre Freude am Prozess opfern. Besinnen Sie sich auf die Dinge, die Sie mit Ihrer höheren Perspektive verbinden. Kehren Sie zurück zu den Dingen, die Sie mit dem Herzen Ihres Pferdes verbinden. Und kehren Sie zu den Dingen zurück, die Ihnen die Freude am Reitenlernen wieder bringen.

 

055 Das Endziel ist wertlos, wenn Sie darüber die Beziehung ....png