Wie bekomme ich einen guten Galopp?

Einleitung

Traditionell sagt man immer, dass man für die Dressur ein Pferd mit einem guten Schritt und einem guten Galopp kaufen soll, weil man diese Gangarten kaum oder gar nicht verbessern könnte, wohingegen man den Trab viel leichter umformen und verbessern kann. Wie so viele stark verallgemeinerte Regeln, ist auch diese nicht ganz falsch, aber auch nicht so ganz richtig. Es trifft zwar einerseits zu, dass man sich bei der Ausbildung sehr viel leichter tut, wenn das Pferd von Natur aus einen ruhigen, runden Bergaufgalopp mit ausreichender Schwebephase mitbringt, als wenn es eher hastig und kratzend in den Boden hinein galoppiert. Andererseits kann man den Galopp relativ stark verbessern, wenn man weiss wie.

Hierbei muss man unterscheiden zwischen der vorbereitenden Arbeit und der eigentlichen Galopparbeit. Die Aufgabe der vorbereitenden Arbeit besteht darin, dem Pferd das notwendige Balanciervermögen und die notwendige Kraft und Koordination zu geben, die es für einen guten Galopp braucht. Das geschieht im Schritt und Trab.

François Robichon de la Guérinière (1733) schrieb, dass man die Pferde in den Seitengängen im Trab, sowie in der Piaffe und Passage ausbilden sollte, bevor man mit der Galopparbeit beginnt. Ich interpretiere das als ein Indiz dafür, dass die Pferde seiner Zeit keinen besonders guten Grundgalopp mitbrachten und daher einer besonders sorgfältigen Vorbereitung bedurften. Unsere heutigen Warmblüter und die meisten Barockpferde haben einen besseren natürlichen Galopp, sodass man bereits viel früher mit der Galopparbeit beginnen kann.

Nach der Französischen Revolution waren die iberischen Pferde immer mehr aus der Mode gekommen und durch englische Vollblüter und Vollblutkreuzungen ersetzt worden, wodurch sich wahrscheinlich der Galopp verbesserte. Ernst Friedrich Seidler (1837), Louis Seeger (1844) und Oskar Stensbeck (1931) waren daher der Meinung, dass ein Pferd zumindest das Schulterherein im Trab beherrschen sollte, bevor man ernsthaft am Galopp arbeitet. Wichtig ist, dass das Pferd gut ausbalanciert traben kann, bevor man ans Galoppieren denkt. Gleichgewichtsprobleme werden in der Regel immer schlimmer, je höher die Gangart ist. Daher sollte man jungen Pferden mit dem Galopp Zeit lassen, bis sie ruhig und ohne Aufregung einspringen können.


Vorbereitung zur Galopparbeit

Generell kann man auch heute noch festhalten: Je schlechter der natürliche Galopp des Pferdes ist, desto gründlicher wird man das Pferd dazu vorbereiten müssen, d.h. desto länger wird es dauern, bis das Pferd in der Lage ist, ruhig, bergauf und rund zu galoppieren. Besonders geeignet sind hierfür Kombinationen von Volten, Achten, Schlangenlinien und Seitengängen im Schritt und insbesondere im Trab, Übergänge zwischen Schritt, Trab und Halten, sowie Wendungen um die Vorhand, Wendungen um die Hinterhand und das Rückwärtsrichten. Dadurch bekommt das Pferd die Geschmeidigkeit, die Kraft, die Koordination und das Balanciervermögen, die es braucht, um in gutem Gleichgewicht in den Galopp einspringen zu können. Pferde mit gutem natürlichem Galopp können dagegen schon relativ früh unter dem Reiter galoppieren.


Vorbereitung des Einsprungs

Von besonderer Wichtigkeit ist die Qualität des Einsprungs in den Galopp, da es wesentlich einfacher ist, einen guten Galopp zu erhalten als einen schlechten Galopp in einen guten umzuwandeln. Sollte das Pferd daher in einem schlechten Galopp anspringen, ist es besser, wieder zum Schritt oder Trab zu parieren und mit der Vorbereitung von vorne anzufangen, als sich und das Pferd unnötig mit dem schlechten Galopp zu quälen.

Wie bekomme ich am besten einen guten Einsprung? Generell kann man sagen, dass die Qualität des Galopps von der Qualität des Übergangs abhängt. Die Qualität des Übergangs hängt ihrerseits wiederum von der Qualität der vorherigen Gangart ab.

Am schwersten ist es, ohne Vorbereitung auf dem einfachen Hufschlag und einer geraden Linie anzugaloppieren, da Pferd und Reiter keine Unterstützung durch die gerittene Linie oder die Lektion erhalten. Viel einfacher ist es, wenn man das Pferd vor dem Einsprung in eine Haltung bringt, in der ihm der Einsprung möglichst leicht fällt. Dazu muss man die Mechanik des Einsprungs in den Galopp kennen.
Das äußere Hinterbein hebt das Pferd in den Galopp. Je weiter es vor dem Einsprung unter den Körper tritt und sich in seinen Gelenken beugt, desto mehr bergauf wird das Pferd angaloppieren. Je weiter das äußere Hinterbein hinter dem Pferdekörper bleibt, desto flacher, schneller und mehr bergab wird das Pferd galoppieren. Die Reiterin braucht sich also nur Übungen ausdenken, die das Gewicht auf das äußere Hinterbein übertragen und hiermit dessen Gelenke beugen.

Beim Einsprung sollte man das Gefühl bekommen, dass das Pferd den Reiter in erster Linie hochhebt und dann nach vorne mitnimmt. Man kann sich vorstellen, dass man in einem kleinen Boot auf dem Meer sitzt und eine große Welle von hinten kommt, die das Boot erst hochhebt und dann mit sich mitnimmt. Dadurch steht die Beschleunigung im Hintergrund und die Aufwärtsbewegung wird ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt.

Das einfachste Beispiel dafür ist das Zirkel vergrößern für zwei bis drei Tritte, gefolgt von zwei halben Paraden in den äußeren Hinterfuß unmittelbar vor dem Einsprung. Durch das Zirkel vergrößern wird das Gewicht auf das äußere Hinterbein übertragen. Durch die halben Paraden werden dessen Gelenke gebeugt.
Schulterherein rechts ist eine gute Vorbereitung für den Linksgalopp, da es den rechten Hinterfuß unter den Körper befördert. Dieser hebt das Pferd in den Linksgalopp. Die Effektivität kann noch gesteigert werden durch die Abfolge Schulterherein rechts - Kurzkehrt rechts - Volte links, wobei auf der Volte links angaloppiert wird. Hier wird im Schulterherein das rechte Hinterbein unter die Körpermitte platziert. Durch die Kurzkehrtwendung wird es stark belastet und zum äußeren Hinterbein gemacht. Das äußere Hinterbein hebt das Pferd in den Galopp. Durch die Volte wird die Schulter gewendet, ein Schiefwerden wird ebenso verhindert, wie ein flaches nach vorne Davonlaufen.

Konterschulterherein - Renvers - Schulterherein - Galopp: Im Konterschulterherein wird das Hinterbein, das der Bande näher ist, unter den Körper gebracht, durch den Renvers wird es belastet. Durch den Wechsel der Biegung und Stellung und das Angaloppieren erfährt das äußere Hinterbein eine gewisse Entlastung, da es vom vermehrt tragenden zum vermehrt schiebenden Hinterbein gemacht wird. Die Renverstellung wirkt auch der Neigung des Pferdes entgegen, im Einsprung schief zu werden. Diese Übung kann sowohl auf der ganzen Bahn als auch auf dem Zirkel geritten werden und eignet sich hervorragend für Pferde, die oft falsch einspringen. Sie ist darüber hinaus eine Vorbereitung für fliegende Galoppwechsel.

Auch Traversalen und Schenkelweichen auf der Diagonalen führen zu einem guten Einsprung, vor allem wenn man unmittelbar nach der Traversale oder dem Schenkelweichen eine Volte in die andere Richtung anschließt, auf der man dann angaloppiert.

Auf der hohlen Seite erweist es sich bei manchen Pferden als äußerst nützlich, 10m x 20m Rechtecke im Schulterherein im Trab zu reiten und daraus in einer der Ecken im Handgalopp einspringen zu lassen.


Guter Galopp - schlechter Galopp

Ein guter Bergaufgalopp vermittelt ein Gefühl von HOCH – 2 - 3.
Ein schlechter Galopp auf der Vorhand vermittelt ein Gefühl von 1 – 2 – TIEF.
Die Galoppbewegung beinhaltet eine auf und ab Komponente und eine vorwärts - rückwärts Komponente.
Im Bergaufgalopp überwiegt die Aufwärtsbewegung, die der Reiter in seinem Becken spürt.
Im Galopp auf der Vorhand überwiegt die Vorwärtsbewegung, die der Reiter in seinem Becken spürt.
Im Bergaufgalopp bleibt die Kruppe gesenkt und der Widerrist hebt sich über die Kruppe.
Im Galopp auf der Vorhand bleibt der Widerrist gesenkt und die Kruppe hebt sich über den Widerrist.
Im guten Galopp beugen sich die Hanken genug, dass der Oberkörper der Reiterin ruhig und gerade bleibt und lediglich vom Pferderücken hochgehoben wird. Wenn die Galoppbewegung die Reiterschultern dagegen vorwärts und rückwärts schaukeln läßt, dann sind die Hanken steif und ungebeugt, sodaß der Reiter bei jedem Sprung nach vorne geworfen wird.

Ein guter Galopp kostet anfangs relativ viel Kraft. Daher muss man damit rechnen, dass das Pferd nur wenige Sprünge durchhält, bevor es ausfällt oder die Qualität des Galopps schlechter wird. Es ist dann besser, sich mit wenigen guten Sprüngen zu begnügen als zu versuchen, viele Galoppsprünge von schlechter Qualität zu erzwingen, da das Pferd sich sonst einen falschen Bewegungsablauf einprägt und die falsche Muskulatur sowie das falsche Körpergefühl trainiert.

Man muss sich auch von der Vorstellung frei machen, dass der Galopp eine schnelle Gangart ist, sonst kann das leicht zur self-fulfilling prophecy werden. Im gesetzten, versammelten Galopp kann man zu Fuß bequem neben dem Pferd her gehen ohne ins Schwitzen zu kommen.

Wie wir gesehen haben, besteht das Geheimnis des guten Galopps zum großen Teil in der effektiven Vorbereitung. In der nächsten Ausgabe unseres Newsletters werde ich dann einige Tipps geben, wie man nach dem gelungenen Einsprung die Galoppsprünge selbst durch den Sitz und die Hilfengebung direkt formen und umformen kann.