Das Körpergefühl des Pferdes verbessern

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Ein wichtiger Aspekt der Pferdeausbildung besteht darin, dass der Reiter beim Lehren einer neuen Lektion oder einer besseren Haltung zuerst das Körpergefühl, das Koordinationsvermögen und das Balanciervermögen des Pferdes verbessern muss. Dazu gehört, dass das Pferd lernt, seine Füße anders zu setzen, sein Gewicht anders zu verteilen und andere Muskelkonfigurationen einzusetzen als bisher.

Das geht natürlich nur, wenn das Pferd weiss, wo seine Füße sind. 

Es müssen also neurologische Verbindungen zwischen dem Gehirn und den entsprechenden Muskelgruppen hergestellt werden, damit es erst einmal lernt diese zu finden und zu aktivieren. 
 

Im nächsten Schritt muss das Pferd diese neuen Bewegungen und Haltungen üben, damit sie ihm immer leichter fallen und automatisiert werden. 

Zuletzt müssen diese Muskeln so gekräftigt und konditioniert werden, dass das Pferd diese Bewegungen auch über einen längeren Zeitraum hinaus durchhalten kann.

Das Körpergefühl des Pferdes kann man sehr gut durch bestimmte Übungen schulen, indem man es langsame, große Bewegungen ausführen läßt. Langsame Bewegungen erlauben dem Pferd mitzudenken, denn die Beine können sich nicht schneller bewegen als der Kopf denken kann. Alle neuen Bewegungen sind dem Pferd zunächst fremd. Daher braucht es Zeit zu verstehen, was es tun soll und wie es die vom Reiter gewünschte Bewegung ausführen muss, um dabei nicht umzufallen. Manchmal muss man sogar zwischendurch anhalten und dem Pferd Zeit geben, die letzten Schritte zu verarbeiten und sich auf die nächsten vorzubereiten. 

Grobmotorische Bewegungen sind für Mensch und Pferd leichter auszuführen als feinmotorische. Daher macht es Sinn mit großen, langsamen Bewegungen anzufangen und nach und nach zu kleineren, schnelleren überzugehen.

Ich verwende dazu sehr gerne 90 Grad Vorhandwendungen und Hinterhandwendungen in beide Richtungen, sowie ein paar Tritte ganzen Travers aus folgenden Gründen:
 

  1. Man kann nicht vom Pferd erwarten, dass es im Trab und Galopp in der Lage ist, seine Hüften oder seine Schultern eine Hufbreite nach links oder rechts zu bewegen, um besser gerade gerichtet zu sein, wenn es nicht in der Lage ist, aus dem Halten eine Vor- oder Hinterhandwendung auszuführen.

  2. Bei der Vorhandwendung bewegen sich die Hinterbeine auf einem Kreisbogen um die Vorderbeine herum. Dadurch wird die Aufmerksamkeit des Pferdes auf seine Hinterbeine, sowie das Übertreten des inneren Hinterbeins vor dem äußeren gelenkt. Die Übung gelingt nur dann gut, wenn das äußere Hinterbein die Last aufnimmt und sich in seinen Gelenken beugt. Die Vorhandwendung in der Bewegung mobilisiert zudem die Hüften, d.h. sie lockert die seitliche Hüft- und Bauchmuskulatur.

  3. Bei der Hinterhandwendung bewegen sich die Vorderbeine auf einem Kreisbogen um die Hinterbeine. Dadurch wird die Aufmerksamkeit des Pferdes auf seine Vorderbeine gelenkt. Die Übung gelingt nur dann gut, wenn das innere Hinterbein die Last aufnimmt und sich in seinen Gelenken beugt. Die Hinterhandwendung mobilisiert außerdem die Schultern, d.h. sie lockert die Brust- und Schultermuskulatur.

  4. Im ganzen Travers bewegen sich Vorder- und Hinterbeine gleichzeitig in gleich großen Schritten seitwärts. Das Pferd muss sich also auf beide Enden seines Körpers konzentrieren und diese mit einander koordinieren. Man kann hier übrigens sowohl in die Bewegungsrichtung als auch gegen die Bewegungsrichtung biegen. Die Übung gelingt nur dann gut, wenn das in Bewegungsrichtung stehende Hinterbein die Last aufnimmt und sich in seinen Gelenken beugt, sodass das andere Hinterbein vor dem Stützbein kreuzen kann. Im ganzen Travers wird außerdem die Hüft- und Schultermuskulatur gelockert.

  5. Bei den 90 Grad Wendungen in beide Richtung muss sich das Pferd von den Hilfen der einen Seite in Bewegung setzen lassen, ohne aber die Hilfen auf der anderen Körperseite zu ignorieren oder umzurennen. Es soll sich stattdessen von diesen jederzeit anhalten und wieder in die andere Richtung zurückschicken lassen. Das erfordert einen Lastwechsel, ein umverteilen der Körpermasse auf die andere Körperseite, was vielen Pferden zunächst schwer fällt. Das gilt auch für den ganzen Travers, wenn man das Pferd 3-4 Tritte rechts und links verschiebt.

Diese drei elementaren Bewegungen bilden sozusagen die Samenkörner für die Seitengänge, denn dort folgen entweder die Hinterbeine der zu reitenden Linie, während die Vorderbeine seitlich weichen (Schulterherein), oder die Vorderbeine bleiben auf der zu reitenden Linie, während die Hinterbeine seitlich abweichen (Kruppeherein), oder alle vier Beine bewegen sich seitwärts (Traversale). Man kann diese drei elementaren Übungen auch beliebig mit einander kombinieren, wodurch viele interessante Übungen entstehen, die das Balanciervermögen, die Koordination und das Körpergefühl des Pferdes verbessern. Bereiten diese Übungen dem Pferd unter dem Reiter noch zu große Schwierigkeiten, kann man sie sehr gut am Boden üben. Unter dem Reiter kann man langsam, Schritt für Schritt vorgehen, indem man das Pferd nach jedem Schritt kurz anhalten und nachdenken läßt. 

Probieren Sie die Übungen aus und beobachten Sie welche der drei Übungen Ihrem Pferd am leichtesten fällt und welche am schwersten.

In welche Richtung fällt es dem Pferd schwerer, seine Hüften bzw. seine Schultern zu bewegen?

Welche der Übungen bringt die größte Verbesserung?

Ist Ihr Pferd rechts oder links hohl?

Wir würden uns freuen, wenn Sie uns kurz Ihre Ergebnisse berichten und uns wissen lassen, ob diese Informationen nützlich waren.